Spvgg. Halbau Berlin von 1970

 

 

Erinnerungen eines Traditionsvereines

 

 

Es kommt die Zeit…

 

 

wieder einmal trainierten im September 1970 die vier wie die Wilden in der Zweizimmerwohnung im Halbauer Weg 13 in Berlin-Lankwitz. Sie alle wohnten in der gleichen Straße, nämlich im besagten Halbauer Weg. Dort hatte im Berliner Süden Blacky Schwarz nämlich schon eine nach heutigen Standard Tipp-Kickplatte in der Wohnung zu stehen, die er sich vom Schreiner bauen ließ. Im Hintergrund wurde die neuesten Schallplatten aufgelegt, Kater Elvis sprang ständig über den Filz und die blaue Tipp-Klick-Clock ratterte noch alle fünf Minuten mit der Schlusssekunde. Die vier, das waren Wolfram Diekert, Peter Kotzur, Rainer Suchan und Blacky Schwarz (bürgerlich übrigens Hans-Joachim Schwarz). Sie alle waren schon seit 1967 aktiv beim leider seit 1972 nicht mehr existierenden TSC Berlin unter Vertrag. Doch es stimmte einfach nicht mehr richtig im Verein. Blacky Schwarz erkannte dies schon früher und war deshalb schon 1969 vom TSC Berlin zum Berliner TV 62 gewechselt und spielte dort u.a. mit Winnie Mietke ein Jahr lang in der Norliga (Vorgänger der Bundesliga) mit. Doch an diesem Septemberabend beschlossenen sie spontan eine Vereinsgründung. Die Ausrittserklärungen wurden an diesem Tag noch geschrieben. Es sollte ein Verein in Berlin-Lankwitz entstehen, da wo sie aufgewachsen waren. Der neue Verein mit dem Vereinsfarben gelb und blau sollte heißen, da alle vier im Halbauer Weg wohnten.

 

- SPVGG. HALBAU BERLIN VON 1970- (kurz: SHB) -

 

Durch die guten Beziehungen der vier Gründungsmitglieder wurde auch gleich ein Spielort mit guten Perspektiven gefunden. Es wurde die Rufus-Gemeinde in Alt-Lankwitz Ecke Halbauer Weg. Die Räume sollten bis 1995 unsere Trainings- und Heimspielstätte bleiben. Dienstags war unser geregelter Trainingsabend, erst in den neunziger Jahren wechselte man auf den Montag. Es wurde eine Satzung verfasst und ein Vorstand gegründet. Man hatte beschlossen, eine Vereinszeitung mit den Namen „Tipp-Kick Aktuell“ herauszugeben, die alle drei Monate neu erschien und bis 1990 auch vertrieben wurde. Vereinsinterne Meisterschaften und der Pokalwettbewerb wurden ins Leben gerufen und ausgespielt. Die Mitgliederzahl schnellte innerhalb weniger Monate auf 14 Personen an. Die Halbau-YELLOWS, wie sie in den 70ern und 80ern genannt wurden (wegen der gelben Baumwolltrikots, linker blauer Längsstreifen auf Vorderseite), fuhren oft in der Gemeinschaft hauptsächlich nach  Norddeutschland zu Freundschaftsspielen und Turnieren um weiter Routine zu sammeln. Die bei fast jeder Transitstreckenfahrt gestellte Frage der Volkspolizisten nach Waffen und Munition wurde bei nicht so gelaufenen Spielen schon das ein und andere mal mit „Ja „ beantwortet, woraufhin die Rückfahrt dann etwas länger gedauert hatte. Als Erfinder gilt Halbau-Berlin für die dann endlich im Jahre 1972 gegründete und noch heute existierende Berlin-Liga, wo die besten Spieler der Stadt in zwei Ligen spielen sollten, um den Berliner Einzelmeister zu ermitteln.. Die Spielvereinigung errang insgesamt 12 Mal den Titel, wobei Gerrit Kähling mit neun gewonnen Titeln Rekordsieger ist.

 

 

Den ersten Mannschaftstitel holte die Spielvereinigung Halbau zwei Jahre nach Vereinsgründung im Jahre 1972 mit dem 1. Platz in der Nordliga, den Vorgänger der 1.Bundesliga. Für die Saison 1973 wurde dann vom Bundestag die 1. Bundesliga beschlossen. Halbau Berlin war mit dem BTV 62 und dem TSC aus Berliner Sicht in die Bundesliga aufgenommen. Am 24.02.1973 wurde dann die 1.Bundesliga eröffnet mit dem Spiel des Titelverteidigers (Nordliga) SpVgg. Halbau Berlin gegen den BTV 62 (übrigens 26-6 für SHB). Es war somit das erste Bundesligaspiel in der deutschen Tipp-Kick Geschichte. Man belegte den 3. Platz in der erstmals ausgespielten Bundesliga-Saison 1973. Die 2. Mannschaft holte sich den Berliner Regionalligameistertitel aber scheiterte in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga. Auch 1973 ging die Serie los, wo Halbau Berlin vier Jahre hintereinander den deutschen Einzelmeister stellte. 1973 Jürgen Röpke, 1974 Rainer Suchan, 1975 und 1976 Wolfgang Kolski. Später schaffte dies nur noch die TFG Hildesheim und Concordia Lübeck. Norddeutsche Einzelmeisterschaften wurden nebenbei auch noch errungen, u.a. von Kolski. und Co. Schon 1974 hatte man Werbung der Getränkefirmen Schultheiss Brauerei und Florida Boy für zwei Jahre am Trikot, dafür bekam man Trinkvorrat über zwei Jahre spendiert. Deutscher Mannschafts-Vizemeister dürfte man sich 1975 mit den Spielern Kolski, Schwarz, Sprung und Suchan in der 1. Bundesliga nennen. Die 2. Mannschaft gab 1975 und 1976 ein Gastspiel in der 1. Bundesliga, stieg jedoch in der 2. Saison denkbar knapp ab. Im Jahre 1976 zog die 1. Mannschaft ins Endspiel des erstmals ausgespielten DTKV -Pokal ein, dort musste man sich der Borussia Celle geschlagen geben. Ein Jahr später (1977) kamen die Halbauer wieder bis ins DTKV -Finale und holten mit einen spannenden 17-15 gegen Hildesheim den Pott an die Spree. Die Pokaltruppe bestand aus Wolfgang Kolski, Gerrit Kähling, Wolgang Sprung und Wolf-Dieter „Erich“ Göhling. Die Spvgg. Halbau hatte jedoch nicht nur mit der Gründung der Berlin-Liga und dem ersten Bundesligaspiel aller Zeiten eine Vorreiterrolle übernommen. So reiste man zu den ersten  Ländervergleichen zwischen Deutschland (Halbau) und Österreich  1978 nach Wien (TKC Wien war Veranstalter) und kam bei einem Spiel 6 gegen 6 zu einem 65-7 Sieg. Ein Jahr später am 5. Juni kam es zu einem Länderkampf zwischen Deutschland und der neutralen Schweiz in Bern (Spielort war beim TKC Mutz Bern). Dieses Spiel endete mit der Besetzung Peter Funke, Blacky Schwarz, Wolfgang Zeunert und Uwe Küssner 29-3 für die Bundesrepublik Deutschland >>>(Spielbericht)<<<. Somit waren die Tipp-Kick spielenden Nachbarschaftsländer auch einmal besucht worden. Von der netten Gastfreundschaft der beiden Alpenrepubliken ist Blacky Schwarz noch heute stark begeistert.

 

 

Anfang des 80er Jahrzehnts galt Halbau- Berlin als die größte Talentschmiede in Deutschland. Blacky Schwarz, der die Tipp-Kick-Beine für die Mannschaftsmitglieder feilte, hatte rund um die Uhr zutun, sich dieser Aufgabe zu widmen. (Damals kamen Stahlfüße erst langsam und heimlich in die TK-Szene und wurden sogar längere Zeit verboten, da man Wettbewerbsverzerrung und Vorteile in dem neuen Material sah und sich außerdem mit der Firma Mieg nicht einigen konnte).  Die Trainingsabende mussten auf Dienstag und Donnerstag ausgeweitet werden und die nun ca. 26 Vereinskameraden verwandelten die Trainingsabende der SHB mit ihrer Stimmung zu einem Rolling Stones Live-Konzert. Dies sollte sich dann besonders in den Turnieren auszahlen. Ob Nord-, Süd-, oder Westdeutsche- Einzelmeisterschaften, es wurde fast alles von den Spielern der SHB gewonnen. Nur mit der Deutschen Einzelmeisterschaft sollte es nicht mehr ganz klappen. 1982 scheiterte mit Peter Gruenheid einer im Endspiel, 1983 mit Peter Funke noch ein Halbauer im Finale der DEM. Mit der 1. Mannschaft scheiterte man 1981/ 82 knapp an Hildesheim und wurde wieder mal deutscher Mannschafts-Vizemeister. Doch dann kam die Saison 1982/ 83, schon vor dem ersten Spieltag stand für die bundesweite Tipp-Kickszene fest: Halbau wird Meister und diese Truppe in dieser Formation ist unschlagbar. Und so sollte es kommen. Peter Funke, Gerrit Kähling, Peter Gruenheid und Bernd Budzynski holten verlustpunktfrei mit 18-0 Punkten konkurrenzlos und mit Rekordpunktzahl die erste Deutsche Meisterschaft für die Spvgg. Halbau Berlin. Es war endlich geschafft. (Zur Sensation aller schied die SHB im Halbfinale des DTKV -Pokals dafür gegen einen Zweitligisten aus, 15-17 gegen Büdingen). Doch die 1. Mannschaft fiel auseinander und die Saison darauf lief so unglücklich, dass der Verein auf einen Abstiegsplatz am Ende der Saison stand.  (So wie einst der Club vom 1. FC Nürnberg unter Max Merkel 1968 noch Meister wurde und 1969 als Tabellenvorletzter die Bundesliga verlassen musste). Dem ersten Abstieg seit Bundesligagründung in die 2. Bundesliga sollte der sofortige Wiederaufstieg folgen. Bis 1989 hatten sich die Halbauer dann noch in der höchsten deutschen Spielklasse gehalten (damals noch auf Platz 2 in der „ewigen BL- Tabelle“ hinter der TFG 38 Hildesheim).

 

 

Zwar war die deutsche Einheit mit den 90ern eingeläutet worden, doch die Halbauer mussten fortan kleinere Brötchen backen. Von der Saison 1989/1990 bis 2006 spielt man mit einer Ausnahme insgesamt 17 Jahre in der 2. Bundesliga.  Die Erfolge aus den letzten zwei Jahrzehnten konnte man nicht mehr wiederholen.  Mitte der 90er gab es nochmals wie auch schon in den 70ern (Berliner TV) und 80ern (BFG Steglitz) eine Abspaltung des Vereins (Tempelhof), was aber auch diesmal verkraftet wurde. Während diese Vereine schon lange nicht mehr existieren, gibt es die Spvgg. Halbau immer noch! Im Jahr 1995 siedelte der Verein in eine neue Heimstätte um, da die alte Heimat vom Land Berlin verkauft wurde. Seitdem ist man in der Paul-Schneider-Gemeinde ansässig,  mit guten Bedingungen und in der Nähe der alten Wirkungsstätte. Jedoch ist bei diesen Umzug die überdimensionale ca. 1 Meter breite und runde Tipp-Kick-Uhr (sah aus wie die Wanduhr im Aktuellen Sport-Studio) abhanden gekommen. Sie begleitete die ruhmreiche Spielvereinigung seit der Gründung mit der Halbzeitansage. Kommissar Stephan Derrick und Assistent Harry Klein sind noch heute auf der heißen Spur. Selbst ein Campino von den Toten Hosen kennt außer die Düsseldorfer Fortuna-Heimat mittlerweile die Trainingsstätte in der Belßstr. 88-90, in Berlins Süden. Noch hinzuzufügen bis zum Jahre 2010 ist, dass die Ostdeutsche Mannschaftsmeisterschaft (bis 1990 Berliner Mannschaftsmeisterschaft) 9 x an die 1. bzw. 2. Mannschaft von Halbau gegangen ist. Trotzdem die ganz großen Erfolge lange her sind, veranstaltet der gesamte Verein auch weiterhin Veranstaltungen wie Sommerfeste, Weihnachtsfeiern, Fernsehauftritte, Radioreportagen und TK - Demonstrationen für Zeitungsreporter.

 

 

Nach der TFG Hildesheim ist man der älteste existierende Tipp-Kick-Club im deutschen Lande. Insgesamt hat der Verein 105 eingetragene Mitglieder von 1970-2010 geführt, womit man zu den drei mitgliederstärksten Vereinen (mit TFG Hildesheim und Rehberge Berlin) in der Bundesrepublik zählt. In den 34 Jahren seit Bestehen des Vereins hat man alle wichtigen  Mannschafts- und Einzeltitel gewonnen, die es auf Bundesebene zu erwerben gibt. Die treuesten aktiven Spieler sind Vereinsgründer Blacky Schwarz (seit 1970), Gerrit Kähling (seit 1974) und Frank Runge (seit 1978). Momentan sind wir 8 aktive Mitglieder und hoffen durch die WM in Südafrika und die DEM 2010 in Berlin auf Verstärkungen. Zwar hat die Spvgg. Halbau in den letzten Jahren nicht mehr in nennenswertem Umfang Nachwuchsspieler hervorbringen können, dafür hat man aus der Konkursmasse des TKC Tempelhof mit Roland Dreyer, Peter Heidenreich, Michael Henseleit und Detlef Jaenisch (vormals Berg) Spieler, die schon Anfang der neunziger Jahre bei Halbau mit dem Spielen begannen, dem Tipp-Kick erhalten können, so dass wir in den letzten Jahren immerhin mit zwei Mannschaften am Spielbetrieb teilnehmen konnten. Seit 2006 spielt man in der Regionalliga Ost und ist mit der 1. Mannschaft dreimal Zweiter und einmal Dritter geworden. Die Spvgg. Halbau Berlin ist für viele ehemalige und aktive Vereinsmitglieder im Laufe der Jahre zu einer Herzensangelegenheit geworden. Hoffen wir, dass die aktiven Spieler gesund und dabei bleiben, um zusammen mit einigen Neulingen und vielleicht auch reaktivierten Spielern den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten , damit die Spvgg. Halbau im Jahre 2020 das fünfzigjährige Jubiläum auch weiterhin als aktiver Verein begehen kann!

 

 

 

Gerrit Kähling / Henk Eric Schwarz